Börsentipps August 2009

1. Börse: Es wird enger

Seit Wochen ist nunmehr die Aufwärtsbewegung intakt und es deutet einiges darauf hin, dass die Kurse zunächst weiter steigen, denn die EZB-Zinssenkungen signalisieren dem Anleger unmissverständlich, dass eine weitere Anlage in Festgeld unerwünscht ist.

Unser Geldsackbesitzer, der bisher den steigenden Kursen hinterher geschaut hat, ist in einer Zwickmühle. Bleibt er auf der sicheren Seite, könnte bald sein Einstiegsfenster wieder geschlossen sein, da er auf der anderen Seite die steigenden Risiken sieht.

So plumpste die Deutsche Bank trotz eines guten Quartalsergebnisses zum 30. 6. unvermittelt nach unten. Schuld war die in der Bilanz dotierte Rückstellung für Kreditrisiken, was die gesamtwirtschaftlichen und internationalen Wirtschaftsrisiken wiederspiegelt.

Auch nach unserer Einschätzung ist die Krise noch längst nicht vorbei, so dass die guten Zahlen des Geschäftsklimaindexes und des Konsumklimaindexes täuschen. Die Krise hat als erste die exportorientierten Firmen getroffen und zieht weitere Kreise, die auch andere Firmen und zunehmend auch Handwerksbetriebe erfasst. Mit Zweitrundeneffekten der Krise über die erwartete Zunahme der Arbeitslosigkeit wird auch der Konsum zurückgehen.

Für die Börse, die der realen Konjunktur ein halbes bis ein Jahr voraus eilt, bedeutet das, dass sich die Kurse w-förmig seitwärts bewegen dürften mit langfristiger Tendenz nach oben, aber eben auch mit Rückschlagpotential.

Wir empfehlen daher für einen Einstieg weiterhin, um das Risiko in Grenzen zu halten, dicke, liquide und dividendenträchtige, aber auch langweilige  Titel (RWE, E.ON, Hannoversche Rück, etc.). Hier liegt man bei überschaubarem Risiko mit der Dividendenrendite weit über dem Festgeldzins. Für den, der etwas Adrenalin braucht: Merck Inc., GE, Pfizer, etc.. Wer eine etwas höhere Dosis braucht, dürfte mit einer Gazprom zu seinem Recht kommen, die Kursaussichten stimmen, wenn die Konjunktur weiter anzieht und das Länderrisiko gibt einen weiteren Kick.

2. Unternehmer-Dialog „Betriebliche Maßnahmen gegen die Krise“

Die von uns vorgetragene Konjunkturerwartung wurde von dem sachverständigen Publikum in einer lebhaften Diskussion ebenso bestätigt wie die möglichen betrieblichen Gegenstrategien zur Krise.

Die aktuelle Krise verlangt von den Unternehmern schnelle, die Existenz des Unternehmens sichernde Entscheidungen bei hoher Unsicherheit. Bestätigt wurde unsere Auffassung, dass per Saldo nur ergebnisstabilisierende Maßnahmen relevant sind. Die Zeiten für Experimente, wie die Beispiele Porsche, Schaeffler oder Merckle zeigen, sind heute nicht gegeben. Es ist Schwarzbrot angesagt: Hohe Kundenorientierung und austarierte Preis- und Wettbewerbsstrategien. Der Bankensektor dürfte sich an der notwendigen konjunkturellen Erholung nur eingeschränkt beteiligen wollen und können: Basel II, Rating, eigene Verluste und sinkende Bonität der Kunden. Die vorhandene Klemme wird ja auch von den Banken bestätigt. Das von der Krise ergriffene Unternehmen wird also per Saldo mit vorhandenen Bordmitteln arbeiten müssen. Die Krise birgt aber für das Unternehmen, das im Boom seine Hausaufgaben gemacht hat und nun über eine hohe Eigenkapitalquote, hohe Liquidität und feste Kreditlinien verfügt, Chancen, den Marktanteil zu erhöhen, denn nicht alle Mitbewerber werden die Krise mit noch unbestimmten Ausgang bewältigen können.

3. Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz

Das Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts (BilMoG) ist am 29. Mai 2009 in Kraft getreten. Es entlastet die Witschaft finanziell in erheblichem Umfang und stärkt das Bilanzrecht des Handelsgesetzbuches für den Wettbewerb mit internationalen Rechnungslegungsstandards.
Zu den wesentlichen Änderungen des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes gehören:

a) Deregulierung

Die Neuregelung entlastet die Unternehmen von vermeidbarem Bilanzierungsaufwand. Mittelständische Einzelkaufleute, die nur einen kleinen Geschäftsbetrieb unterhalten, werden von der handelsrechtlichen Buchführungs-, Inventur- und Bilanzierungspflicht befreit. Für Kapitalgesellschaften wie AG und GmbH werden ebenfalls Befreiungen und Erleichterungen bei der Bilanzierung vorgesehen.

Konkret geht es um folgende Maßnahmen:

• Einzelkaufleute, die bestimmte Schwellenwerte (500.000,- € Umsatz und 50.000,- € Gewinn pro Geschäftsjahr) nicht überschreiten, werden von der Verpflichtung zur Buchführung, Inventur und Bilanzierung nach den handelsrechtlichen Vorschriften befreit.

• Die Größenklassen, die darüber entscheiden, welche Informationspflichten ein Unternehmen treffen, werden angehoben: Die Schwellenwerte für Bilanzsumme und Umsatzerlöse in § 267 HGB werden um 20% erhöht. So kommen mehr Unternehmen als bisher in den Genuss der Erleichterungen, die für kleine und mittelgroße Kapitalgesellschaften gelten. Der Aufwand bei der handelsrechtlichen Rechnungslegung wird verringert. Abhängig davon, ob eine Kapitalgesellschaft als klein, mittelgroß oder groß einzustufen ist, muss sie mehr oder weniger weit reichende Informationspflichten erfüllen. Kleine Kapitalgesellschaften brauchen z. B. ihren Jahresabschluss nicht von einem Abschlussprüfer prüfen zu lassen und müssen nur die Bilanz, nicht aber die Gewinn- und Verlustrechnung offenlegen. Mittelgroße Kapitalgesellschaften können auf eine Reihe von Angaben verzichten, die große Kapitalgesellschaften machen müssen, und dürfen Bilanzpositionen zusammenfassen.
• Als klein gelten künftig solche Kapitalgesellschaften, die nicht mehr als rd. 4,8 Mio. € Bilanzsumme (bisher rd. 4 Mio. €), rd. 9,8 Mio. € Umsatzerlöse (bisher rd. 8 Mio. €) bzw. 50 Arbeitnehmer im Jahresdurchschnitt aufweisen. Von den Kriterien muss eine Kapitalgesellschaft mindestens zwei erfüllen, um als klein klassifiziert zu werden.
• Als mittelgroß gelten künftig solche Kapitalgesellschaften, die nicht mehr als rd. 19,2 Mio. € Bilanzsumme (bisher rd. 16 Mio. €), rd. 38,5 Mio. € Umsatzerlöse (bisher rd. 32 Mio. €) bzw. 250 Arbeitnehmer im Jahresdurchschnitt aufweisen.

b) Verbesserung der Aussagekraft der HGB-Abschlüsse

Das modernisierte HGB-Bilanzrecht ist auch eine Antwort auf die International Financial Accounting Standards (IFRS), die vom International Accounting Standards Board (IASB) herausgegeben werden. Die IFRS sind auf kapitalmarktorientierte Unternehmen zugeschnitten. Sie dienen dem Informationsbedürfnis von Finanzanalysten, berufsmäßigen Investoren und anderen Kapitalmarktteilnehmern. Die weit überwiegende Anzahl der rechnungslegungspflichtigen deutschen Unternehmen nimmt den Kapitalmarkt aber gar nicht in Anspruch. Es ist deshalb nicht zu rechtfertigen, alle rechnungslegungspflichtigen Unternehmen auf die kostenintensiven und hochkomplexen IFRS zu verpflichten. Auch der vom IASB beratene Entwurf eines Standards „IFRS für kleine und mittelgroße Unternehmen“ ist keine gute Alternative für die Aufstellung eines informativen Jahresabschlusses. Die Praxis in Deutschland hat den Entwurf des IASB scharf kritisiert, weil seine Anwendung – im Verhältnis zum HGB-Bilanzrecht – immer noch zu kompliziert und kostenträchtig wäre. Das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz wählt deshalb einen anderen Ansatz: Es baut das bewährte HGB-Bilanzrecht zu einem Regelwerk aus, das den internationalen Rechnungslegungsstandards gleichwertig, aber wesentlich kostengünstiger und in der Praxis einfacher zu handhaben ist. Insbesondere bleibt es dabei, dass die HGB-Bilanz Grundlage der steuerlichen Gewinnermittlung und der Ausschüttungsbemessung ist. Dies ermöglicht insbesondere den mittelständischen Unternehmen, weiterhin nur ein Rechenwerk – die sog. Einheitsbilanz – aufzustellen, das Grundlage für alle genannten Zwecke ist. Mit folgenden Maßnahmen wird die Aussagekraft des handelsrechtlichen Jahresabschlusses verbessert:

Selbstgeschaffene immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens

Immaterielle selbstgeschaffene Vermögensgegenstände des Anlagevermögens wie zum Beispiel Patente oder Know-how können künftig in der HGB-Bilanz angesetzt werden. Das ist vor allem für innovative Unternehmen wichtig, die intensiv forschen und entwickeln – beispielsweise die chemische oder pharmazeutische Industrie oder die Automobilindustrie nebst ihren Zulieferern. Insbesondere profitieren auch kleine und sogenannte Start-up-Unternehmen von der Vorschrift. Auch sie können ihre Entwicklungen – ihr Potential – künftig in der Handelsbilanz zeigen. Dadurch können die Unternehmen ihre Eigenkapitalbasis ausbauen und ihre Fähigkeit verbessern, sich am Markt kostengünstig weiteres Kapital zu beschaffen. Steuerlich bleiben die Aufwendungen nach wie vor abzugsfähig; sie stehen auch nicht für die Gewinnausschüttung zur Verfügung. Das fördert die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands als Standort für innovative Unternehmen.

Beispiele:

(1) Ein großer Teil der in der pharmazeutischen Industrie anfallenden Kosten entfällt auf die Erforschung und Entwicklung neuer Medikamente. Wenn sich künftig beispielsweise aus klinischen Studien ergibt, dass ein Medikament die Marktzulassung erhalten wird, können die Entwicklungskosten als Herstellungskosten eines selbst erstellten Vermögensgegenstandes des Anlagevermögens, beispielweise eines Patents oder von einfachem Know-how aktiviert werden. Das heißt, die Gewinn- und Verlustrechnung des Unternehmens wird nicht belastet und der bilanzielle Gewinn fällt höher aus.

(2) Ein Start-up-Unternehmen, das sich beispielsweise mit der Entwicklung von Software befasst, kann die Kosten für die Entwicklung der Software als Herstellungskosten der Software innerhalb der selbsterstellten immateriellen Vermögensgegenstände des Anlagevermögens ausweisen und muss diese nicht, wie bisher, aufwandswirksam erfassen.

Änderung der Rückstellungsbewertung

Rückstellungen von Unternehmen für künftige Verpflichtungen werden in Zukunft realistischer bewertet. Die gegenwärtige bilanzrechtliche Behandlung von Rückstellungen ist in der öffentlichen Diskussion immer wieder als Schwachstelle der handelsrechtlichen Rechnungslegung bezeichnet worden. Gerade bei Pensionsrückstellungen lasse sich derzeit die wahre Belastung der Unternehmen nicht aus der handelsrechtlichen Rechnungslegung ablesen, weil die bisherigen Wertansätze nach übereinstimmender Einschätzung zu niedrig seien. Bei der Bewertung der Rückstellungen sollen deshalb künftige Entwicklungen (Lohn-, Preis- und Personalentwicklungen) stärker als bisher berücksichtigt werden. Zudem sind die Rückstellungen künftig abzuzinsen. Die Bewertung der Rückstellungen wird also dynamisiert. Die Neuregelung wird zumindest bei den Pensionsrückstellungen zu einer Erhöhung führen. Dies ist aber unerlässlich, wenn man zu einer realitätsgerechten Rückstellungsbewertung gelangen will. Um diese Effekte abzumildern, sieht das Gesetz die Möglichkeit vor, die Rückstellung über einen Zeitraum von mehreren Jahren anzusammeln. Die steuerlichen Vorschriften in diesem Punkt bleiben unverändert, so dass es nicht zu Steuerausfällen kommen wird.
Beispiel:
Der Grund und Boden eines Unternehmens ist mit Chemikalien verseucht. Die Behörden geben dem Unternehmen auf, die Altlast zu beseitigen, sobald das Unternehmen seinen Geschäftsbetrieb einstellt. Damit ist in fünf Jahren zu rechnen. Zum Bilanzstichtag betragen die Kosten für den einzusetzenden Bagger 100,- € /Std. Es ist davon auszugehen, dass die Baggerstunde in fünf Jahren 120,- € kostet. Nach der bisherigen Rechtslage ist für die Bemessung der Rückstellung – dem Stichtagsprinzip folgend – von 100,- € /Std. auszugehen, künftig hingegen von 120,- €, weil die künftigen Entwicklungen zu berücksichtigen sind.

Abschaffung nicht mehr zeitgemäßer Wahlrechte

Darüber hinaus wird das HGB-Bilanzrecht vom „Ballast“ der vergangenen Jahre befreit. Nicht mehr zeitgemäße Bilanzierungsmöglichkeiten, die den Unternehmen eingeräumt wurden, werden eingeschränkt oder aufgehoben. Diese beeinträchtigten zum Teil den Informationsgehalt und die Vergleichbarkeit von Jahresabschlüssen. Dies gilt beispielsweise für die auch steuerlich nicht anerkannte Möglichkeit, Rückstellungen für eigenen künftigen Instandsetzungsaufwand zu bilden.

Beispiel:

Ein Unternehmen renoviert die ihm gehörenden Verwaltungs- und Betriebsgebäude im Abstand von zehn Jahren. Den zur Durchführung der Renovierung erforderlichen Betrag sammelt das Unternehmen – ohne dass bereits Vereinbarungen über die Durchführung der Renovierung mit Dritten getroffen worden wären – über die Dauer der zehn Jahre in einer steuerlich nicht anerkannten Aufwandsrückstellung an. Derartige steuerlich nicht anerkannte Aufwandsrückstellungen können künftig nicht mehr gebildet werden.